CDU Kreisverband Tempelhof-Schöneberg

Expertenrunde plädiert für gesetzgeberische Zurückhaltung bei Sterbehilfe - Luczak moderiert Diskussion des Forum Recht

Wie kann eine Gesellschaft das Sterben in Würde ermöglichen? Was sollte und was darf der Staat beim Thema Sterbehilfe regeln – darüber diskutierten am Montagabend Experten auf Einladung des Forum Recht der CDU Berlin und des BACDJ in Schöneberg. „Es gibt auch in der Politik Themen, bei denen Parteien keine Rolle spielen. Dazu gehören die großen Fragen von Leben und Tod wie die Sterbehilfe“, sagte der Tempelhof-Schöneberger Bundestagsabgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak zum Auftakt. „Deshalb haben wir – wenige Tage vor der Entscheidung im Bundestag – Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zum Meinungsaustausch eingeladen“, sagte Luczak, der die Gesprächsrunde moderierte.
Gemeinsam mit Dr. Josef Bordat (Kirchenphilosoph), Martina Jaklin (Ärztekammer Berlin), Prof. Dr. Gerhard Seher (Strafrechtler der FU Berlin) und Dirk Müller (Experte für Palliativpflege) diskutierte Jan-Marco Luczak über das Thema Sterbehilfe.
 
Dr. Joseph Bordat von der Gemeinde St. Norbert in Schöneberg sprach aus Sicht der Kirche von einer „moralischen Lebenspflicht, die sich aus dem christlichen Menschenbild ableitet.“ Suizid sei kein Ausdruck von Freiheit. Der Kirchenphilosoph und Publizist betonte: „Der Mensch hat eine Verantwortung vor Gott und ist Teil der Menschheit und der menschlichen Würde.“ Das verbiete eine Selbsttötung. Damit stellte sich Bordat grundsätzlich hinter den Gesetzentwurf, der die Sterbehilfe strikt verbieten will.
 
Kritik an Ausweitung des Strafrechts bei Sterbehilfe
 
Zahlreiche Besucher verfolgten die nachdenkliche und kritische Diskussion der Experten. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Gerhard Seher lehnte dagegen eine Regelung im Strafrecht kategorisch ab und verwies auf rechtssystematische Gründe. Er erinnerte daran, dass die Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland stets straffrei gewesen sei, weil auch der Selbstmord strafffrei ist. „Was soll strafwürdig sein an einer Unterstützungshandlung, wenn die Tat selbst nicht strafbar ist?“, fragte er.
 
Mit Blick auf die Gesetzentwürfe von Dörflinger/Sensburg und Brand/Griese, die strafrechtliche Regelungen vorsehen, warnte der Strafrechtsexperte vor unbestimmten Rechtsbegriffen. Wenn etwa die „geschäftsmäßige“, auf Wiederholung abzielende Sterbehilfe verboten werde, führe das in der Praxis zu Problemen. „Wie oft darf ein Arzt die Suizidbeihilfe also wiederholen, bis es strafbar ist – zweimal ist es erlaubt und ab dem dritten Mal wird er bestraft? Das grenze an Willkür“, kritisierte Seher. Missbrauch könne schon heute über andere Gesetze wie das Betäubungsmittelgesetz oder Nötigung sanktioniert werden.
 
"Beihilfe zur Selbsttötung darf keine ärztliche Aufgabe werden"
 
Einigkeit herrschte in der Runde bei der Ablehnung des sehr weitgehenden Gesetzesvorschlages von Künast/Sitte, der lediglich die kommerzielle Sterbehilfe untersagen will. „Gesetzänderungen, die den ärztlichen Suizid etablieren wollen, sehen wir kritisch“, sagte Martina Jaklin von der Ärztekammer Berlin. „Hilfe zur Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe und darf auch keine ärztliche Aufgabe werden“, sagte Jaklin. Es dürfe „kein Anspruch auf ärztliche Suizidbeihilfe“ entstehen. Schon heute sei eine Ablehnung lebenserhaltender bzw. lebensverlängernder Behandlungen möglich.
 
Jaklin räumte ein, dass es derzeit verschiedene Regelungen im Berufsrecht der Ärztekammern gebe. Die Beihilfe zum Suizid wird darin teilweise als „unethisch“ untersagt – mit zumindest formal weitreichenden Konsequenzen für die Ärzte. „Unabhängig davon, wie der Bundestag entscheidet, sollten wir uns die Berufsordnungen noch einmal genauer anschauen“, so Jaklin.
 

Ausbau der hospizlichen und palliativen Versorgung erforderlich
 
Dirk Müller, Vorsitzender des Hospiz- und Palliativverbandes Berlin, wandte sich ebenfalls gegen eine weitere Liberalisierung der Sterbehilfe. „Wir brauchen stattdessen einen Ausbau der hospizlichen und der palliativen Betreuung“, sagte er. Müller ist seit 1997 im Hospizbereich tätig und schilderte sichtlich bewegt seine Erfahrungen im Umgang mit Betroffenen: „Menschen, die einen Sterbewunsch haben, leiden natürlich oft an schwersten Krankheiten mit quälenden Schmerzen. Aber wir versuchen in der Betreuung dann auch immer herauszufinden, was belastet ihn besonders. Oftmals fühlen sich diese Menschen allein gelassen“, so Müller. Da brauche es vor allem geschultes Personal, das die Leiden lindern und sich auch menschlich um den Patienten kümmern könne. „In den dann verbleibenden, wenigen Fällen sollte man den Wunsch des betroffenen Menschen aber auch akzeptieren und sagen: ‚Ja, es ist gut, du darfst gehen.“ Da sei schon heute am Ende eine sogenannte „terminale Sedierung“ möglich.
 
Vor dem Hintergrund seiner praktischen Erfahrung warnte Müller vor einer „Überverrechtlichung der Sterbehilfe“: In solchen Fällen seien vielmehr die Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht entscheidend.
 
Einig war sich die Runde darin, dass es keinen Dammbruch geben dürfe. Besonders Kirchenphilosoph Bordat blickte mit Sorge auf eine mögliche weitgehende Liberalisierung der Sterbehilfe durch den Künast/Sitte-Entwurf. Selbsttötung werde dann zu einer normalen Alternative, so Bordat. „Damit steigt der psychisch-soziale Druck auf kranke und alte Menschen, die sich dafür rechtfertigen müssen, dass sie leben“, erklärte der Katholik. Eine solche gesellschaftliche Entwicklung wolle niemand, so die Experten einhellig. Die Podiumsteilnehmer befürworteten letztlich mehrheitlich, die Suizidbeihilfe im Einzelfall dem ärztlichen Gewissen freizustellen.